„Eine Patientin, 25 Jahre, schlank, rötliches Haar, kommt zu Ihnen in die Praxis. Sie soll wegen ihrer Gräserpollenallergie eine Desensibilisierung bekommen. Was müssen Sie bedenken?“ Mit solchen Fragen fühlte Dr. Friedel Rohr den 110 Ärzten und Arzthelferinnen auf den Zahn, die zu einem QM-Schulungstag nach Alzey gekommen waren. Eingeladen dazu hatte MEDI Südwest.
Notfälle, Datenschutz, Hygiene und Brandschutz in der Praxis waren die Themen, die zunächst in Alzey und später beim Wiederholungsseminar in Leimersheim in der Südpfalz behandelt wurden. In diesen Bereichen müssen Ärzte und MFAs laut Gesetz regelmäßig Belehrungen erhalten. Wie diese aber genau aussehen sollen, ist nicht vorgegeben. ,,Wir von MEDI Südwest hatten den Eindruck, dass in vielen Praxen einfach zu wenig passiert, weil im Alltag weder die Zeit noch die Möglichkeit besteht, das zu organisieren. Die große Nachfrage an unserem Seminar zeigt, dass wir damit offensichtlich richtiglagen“, so Dr. Ralf Schneider, Vorsitzender von MEDI Südwest und Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxis in Alzey. MEDI Arzt Holger Werner, Orthopäde mit Praxis in Germersheim, bestätigt diesen Eindruck. ,,Manche Kollegen haben die Belehrungen bisher selbst gemacht und mussten sich das Fachwissen dafür zunächst aneignen. Oder wir mussten uns darum kümmern, eine externe Kraft zu bekommen.“ Das sei bisweilen sehr aufwendig und nicht in jedem Fall zufriedenstellend abgelaufen. Dagegen hatte die MEDI Veranstaltung nach einhelliger Meinung ein durchweg gutes Niveau.
Notfälle gehören nicht überall zum Alltag
Bei beiden Seminaren übernahm Referent Rohr aus Framersheim das Gebiet „Notfälle in der Arztpraxis“. Rohr ist MEDI Mitglied und seit über 20 Jahren als Notarzt tätig, lange Zeit davon als Leitender Notarzt für den Bereich Alzey-Worms. ,,Er ist also ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet und versteht es zudem, seine Themen praxisnah und lebendig aufzubereiten“, so Schneider über seinen Kollegen. Rohr ließ beispielsweise zu Beginn alle Anwesenden die stabile Seitenlage üben. „Natürlich sind auch bei den Helferinnen die wichtigsten Handgriffe bekannt, aber das Wissen müsse immer wieder aufgefrischt werden. Denn wenn es hart auf hart kommt, haben wir keine Zeit zum Überlegen oder um nachzufragen“, erläuterte Schneider. MFA Jutta Fuchs ergänzte: „In unserer Ausbildung haben wir das alles einmal gelernt“, aber im Laufe der Jahre gehe das Wissen einfach verloren. Und Notfälle gehörten in vielen Arztpraxen nun einmal nicht zum Alltag. Im besagten Fall der rothaarigen Patientin wussten die meisten Anwesenden zwar schon, dass Menschen dieses Haarund Hauttyps oft überempfindlich reagieren und zu Allergien neigen. Was sie allerdings bei einem anaphylaktischen Schock konkret zu tun hätten, diese Frage brachte dann doch einige Teilnehmer ins Schleudern. Rohr sprach über den Einsatz von Antihistaminika und Glukokortikoiden und machte klar, dass im Falle einer Bewusstlosigkeit eine Adrenalingabe unverzichtbar ist. Er riet den Arzthelferinnen, in jedem Notfall sofort einen Zugang zu legen, damit keine für die Behandlung wertvolle Zeit verstreiche. ,,Ein allergischer Schock kann schnell lebensgefährlich werden und erfordert immer einen Arzt“, so Rohr. Falls der in der Praxis nicht erreichbar sei, müsse die 112 gewählt werden. „Nicht die 110, dann kommt die Polizei“, gab er mit auf den Weg.
Viagra-Einnahme abgefragt?
Rohr brachte die Teilnehmer auch in der Theorie auf den neuesten Stand in der Notfallmedizin. So gehe man heute nach zahlreichen Studien davon aus, dass es nichts bringe, bei einer Ohnmacht die Beine hochzulagern. ,,Früher galt das als absolutes Muss“, erläuterte Rohr vor manchem erstaunten Teilnehmer. Auch aus dem Bereich der Medikamentenverordnung hatte der Notarzt ein eindrucksvolles Beispiel für die Seminarteilnehmer. So wisse zwar jeder Rettungsassistent, aber eben nur wenige Arzthelferinnen, dass einem männlichen Patienten mit Herzinfarkt-Symptomen niemals das in diesen Fällen eigentlich angezeigte Nitro verabreicht werden dürfe, wenn der zuvor Viagra eingenommen habe. ,,Es kann überlebenswichtig sein, dass Sie das abfragen“, mahnte Rohr die Zuhörer.